Alles BIM, oder was?

Ist Ihr Unternehmen bereits BIM-fähig? Was bedeutet das eigentlich und wie grenzt sich BIM ab vom Begriff „Digitalisierung“ und vom simplen „3D-Modell“? Mit BIM sollen Bauabläufe vereinfacht werden, aber wie genau? Auf welche Entwicklungen sollten Sie sich als Bauunternehmer einstellen? Bis auf die erste Frage bietet dieser Beitrag Antworten und erläutert die Begrifflichkeiten.

Wenn Sie gefragt werden, ob Ihr Unternehmen BIM-fähig sei, wissen Sie dann, was genau damit gemeint ist? Falls ja, brauchen Sie eigentlich nicht unbedingt weiterlesen. Falls Sie aber unsicher sind, was der Fragesteller meint, oder wenn Sie den Begriff „BIM“ zwar gehört, aber nicht einordnen können, dann bieten wir hier einen kurzen Überblick über die Begrifflichkeiten und wie sie sich voneinander abgrenzen. Dabei geht es hauptsächlich um die oft verwendeten Begriffe BIM (Building Information Modelling), Digitalisierung und im engeren Sinne das 3D-Modell. 

Alternativer Bildtext

Building Information Modeling, kurz: BIM, bezeichnet eine Methode der Bauwerksdatenmodellierung. Dabei werden mithilfe von Software sämtliche Prozesse der Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden vernetzt. Alle Bauwerksdaten werden digital modelliert, kombiniert und erfasst. Zudem werden Gebäube von Beginn an als virtuelle Modelle visualisiert. Bild: Adobe Stock

Wer BIM sagt, meint…

Oft sagen selbst Experten „BIM“ – sozusagen das Hype-Wort momentan in der Baubranche – und meinen eher im weiteren Sinne die Digitalisierung. Fragt jemand, ob Ihr Architektur-Büro oder Ihr Bauunternehmen BIM-fähig ist, kann es sein, dass er seine Frage rein darauf bezieht, ob Sie schon mit 3D-Modellen arbeiten. Wahrscheinlicher aber ist es, dass er darauf abzielt, wie weit Ihr Unternehmen in Sachen Digitalisierung ist.

Und damit kommen wir zum zweiten Problem. Wer „Digitalisierung“ sagt, hat im Kopf garantiert ganz andere Beispiele parat als sein Gesprächspartner. „Digital“ aufgestellt sein, hat viele Facetten. Hier ein paar Beispiele:

  1. Ein mittelständischer Bauunternehmer fängt an, intern seine Prozesse nach und nach zu digitalisieren. Dabei handelt es sich nicht nur um die üblichen „Verdächtigen“ wie die Lohnbuchhaltung, sondern auch um die Prozesse auf der Baustelle. Das Unternehmen führt ein digitales Bautagebuch ein, über das Daten gleich automatisiert in die Buchhaltung übertragen werden. Die Mitarbeiter installieren dafür eine App auf ihrem Smartphone und tragen ihre Arbeitszeiten direkt auf der Baustelle ein.
  2. Eine Mietfirma, die Baumaschinen vermietet, denkt ebenfalls daran, ihre Geschäftsprozesse zu digitalisieren. Bei ihr bedeutet das aber vielleicht, dass sie ihren Kunden künftig ihre Dienste online verfügbar macht und einen Online-Shop anbietet.
  3. Ein Hersteller von Mauerwerksbaustoffen bietet eine App an, über die sich Kunden bis ins Detail über das gesamte Portfolio informieren können und Vertriebsmitarbeiter vor Ort beim Kundenbesuch auf Informationen zugreifen können.
  4. Im Straßenbau schreitet die Digitalisierung voran, getrieben von den Herstellern der Maschinen, die mit den Anbietern von Software zusammenarbeiten. So entwickelt man immer intelligentere Maschinen, die untereinander kommunizieren. Ziel ist es, die gesamte Prozesskette transparent zu machen inklusive der Logistikprozesse. So soll es möglich sein, die Anlieferung von Asphalt an der Baustelle besser zu koordinieren und letztendlich den Arbeitsprozess so effizient wie möglich zu gestalten.
  5. Treiber der Digitalisierung sind auch die Hersteller von Baumaschinen. Sie bauen neben den herkömmlichen Maschinen intelligente programmierbare Bagger, die quasi „mitdenken“. Die Maschine wird z.B. mit den gewünschten 3D-Aushubdaten gefüttert und steuert im Anschluss den Grabvorgang selbstständig.
  6. Schalungshersteller bieten BIM-Software und Apps an, um ihren Service, die Geschäftsprozesse und die Zusammenarbeit mit ihren Kunden zu verbessern. Mit BIM tun sich ganz neue Möglichkeiten auf, die Planung von Brücken, Häusern und Bauwerken vorab digital zu planen. Dies bietet dem Kunden die Möglichkeit, das künftige Gebäude schon vor der Erstellung virtuell zu begehen.

Womit wir konkret beim 3D-Modell wären. Im engeren Sinn spricht man von BIM und meint dabei die Schaffung eines 3D-Modells des zukünftigen Bauprojekts. Hier ist auch häufig die Rede vom „digitalen Zwilling“. Hierzu wird für ein neues Projekt oder auch per Scan für ein Bestandsobjekt ein digitaler Doppelgänger geschaffen. An diesem Modell können nun architektonische Details oder Sanierung vorab am Rechner geplant werden. Wird beispielsweise ein neues Gebäude modelliert, kann man schon vorab in den Räumen Objekte platzieren und feststellen, ob genügend Raum vorhanden ist.

Um Klein- und Mittelständlern heute ein reibungsloses Planspiel der verschiedenen Gewerke zu ermöglichen, beginnen viele Softwareentwickler derzeit, herstellerneutrale Austauschformate und Bauteilbeschreibungen zu nutzen. Bei der Gebäudeplanung trifft man inzwischen relativ häufig das IFC-Format an, dessen Abkürzung für den internationalen Standard „Industry Foundation Classes“ steht. Bei der Nutzung und Weiterentwicklung dieses Schnittstellenformates sieht auch der Verbund Mein Ziegelhaus eine seiner zukünftige Aufgabenstellungen.

Definition BIM als Methode

Von den Digitalexperten wird BIM als Methode verstanden – inklusive der Software, den Handlungsanweisungen, Vorgaben zum Datenaustauch etc. – die gewährleistet, dass sich alle am Bau Beteiligten vernetzen können und sich aus einem gemeinsamen Datentopf bedienen bzw. ihre Erkenntnisse wieder darin zurückspielen. So die Theorie. Was die Umsetzung angeht, ist es unbestreitbar so, dass wir noch am Anfang dieser Entwicklung stehen. Es gibt die Vorreiter wie die Deutsche Bahn sowie private Vorzeigeprojekte – Brücken und Autobahnen –, die derzeit mit Hilfe von BIM geplant und ausgeführt werden.

Druckmacher ist sozusagen die Vorgabe, dass laut „Stufenplan Digitales Bauen und Planen“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur alle neu geplanten öffentlichen Infrastrukturprojekte ab Ende 2020 mittels BIM-Methoden erstellt werden müssen. Auftragnehmer, die mit der Bahn zusammenarbeiten, müssen schon heute ein definiertes Leistungsniveau einhalten, um den Zuschlag für die Ausschreibung zu erhalten.

Vom Schubladendenken hin zu echter Kooperation und Vernetzung

BIM ist aber eben nicht gleichzusetzen mit Softwarenutzung und dem richtigen Datenformat. Das ist ein wichtiger Teil, aber eben nur ein Teil. BIM ist im Grunde eine Change-Management-Herausforderung für die Unternehmen am Bau. Im Vordergrund der kommenden Jahre steht die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter in Sachen BIM. Voraussetzung dafür ist auch, dass die Führungsebene in den Unternehmen dies begreift und bereit ist, ihr Wissen mit anderen Partnern zu teilen und den Netzwerkgedanken zu leben. Dazu gehört die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand zu blicken und den Gesamtprozess im Blick zu haben. Nur dann kann es gelingen, die Vision von BIM Realität werden zu lassen, nämlich die übergreifende Zusammenarbeit aller am Bauprojekt Beteiligten. Über die Fertigstellung des Gebäudes hinaus…

Die Baubranche: Nachzügler in Sachen Digitalisierung

Die Bauindustrie – man muss es so sagen – ist zurückhaltender als andere Industriezweige und hinkt beim Thema Digitalisierung noch hinterher. Unter dem Stichwort „Industrie 4.0“ sind es allen voran die Automobilindustrie und die Konsumgüter produzierende Industrie, die ihre Arbeitsprozesse mit Hilfe von Robotern und Software digitalisiert und effizienter macht. Und in der Baubranche? Da wird bereits viel diskutiert, aber wenn man den Dachdecker von nebenan fragt, ob er „BIM“ kennt, erntet man oft noch ein Achselzucken. BIM ist zwar in der Baufachpresse allgegenwärtig – das Bild vom Bauingenieur mit dem Tablet in der Hand zum Beispiel –, spielt aber auf den meisten Baustellen noch keine Rolle. Viele Planer und Architekturbüros arbeiten noch ganz analog auf Papier. Gewiss gibt es schon einige hochkarätige Architekten, die Großprojekte mit spezieller BIM-Software managen. Oder Bauunternehmer, die eine App auf ihrem Smartphone nutzen, um Baufortschritte per Foto zu dokumentieren, Qualitätschecklisten führen oder die Arbeitszeit vor Ort ins Bautagebuch eintragen. Doch Bauprojekte, die mittels BIM-Infrastruktur geplant, ausgeführt und abgerechnet werden, sind derzeit Vorzeigeprojekte und keineswegs die Regel.