Recycling – Wertstoff Ziegel

Im Ganzen verwertbar oder als Splitt aufbereitet? Gefüllt oder nicht gefüllt – das sind entscheidende Fragen. Bislang entscheidet der Materialmix, ob sich Ziegel einfach wiederverwerten lassen. Sortenreine Dachziegel und einfacher Ziegelbruch können problemlos recycelt werden. Doch wie sieht es aus, wenn ein Mauerziegel mit Dämmmaterial gefüllt und zusätzlich verputzt ist? Ein kleiner Einblick in den Wertstoff Ziegel und seine Fähigkeit zur Wiederverwertbarkeit.

Wer Tennis spielt oder sein Dach begrünt, bewegt sich sehr wahrscheinlich auf etwas, das früher ein Ziegelstein war. Nach seinem „Berufsleben“ als Wandbildner, kann der Ziegel noch in vielerlei Formen „weiterleben“. Im Zuge von Nachhaltigkeits-Debatte und Ökobilanzierung rücken auch die Themen Recycling (RC) und Wiederverwendbarkeit von Bauabfällen mehr in den Blickpunkt der öffentlichen Wahrnehmung.

Viele Bausünden der Vergangenheit verursachen große Probleme in der Gegenwart. Das betrifft alt bekannte Schadstoffe wie Asbest, KMF, PAKs, PCBs und Schwermetalle. Kontaminierter Bauschutt kann dadurch häufig nicht als Wertstoff freigegeben werden. Die Architektin Prof. Dipl.-Ing. Annette Hillebrandt verweist als weiteres Beispiel auf den Einsatz von Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) aus billigem Polystyrol, welche in der Vergangenheit oft mit dem giftigem Flammschutzmittel HBCD versetzt wurden. Sie ist Verfechterin des Kreislaufdenkens und einer radikalen Materialwende hin zu wiederverwertbaren Modulen.

Bauherren sind heute aufgefordert, zukunftsorientiert zu denken und auch den Rückbau der verwendeten Materialien bei ihrer Planung zu berücksichtigen. Umso mehr muss bereits bei der Produktentwicklung und beim Design neuer Produkte auf die Recyclingfähigkeit geachtet werden. Das nimmt vor allem die Hersteller in die Pflicht. Sie müssen die Frage beantworten: Können die entwickelten Baustoffe bei einem Rückbau bzw. Abbruch wieder sortenrein getrennt werden?

Die Krux: Sortenreinheit

Echtes Recycling findet bislang nur im Ziegelwerk selbst statt. Gemahlener Ziegelbrennbruch wird als sogenanntes Magerungsmittel in den Rohstoffkreislauf wieder eingebracht. Der Keramiker kennt die Rohstoffdaten genau und kann die Zugabe des Mittels exakt berechnen. Aus dem gemischten Rohmaterial entstehen neue Ziegel, gleichbedeutend mit der ursprünglichen Recycling-Definition.

Eine Wiederverwendbarkeit liegt vor, wenn der ursprüngliche Baustoff im Ganzen rückgewonnen und wieder für den Bestimmungszweck eingesetzt werden kann. Das ist zum Beispiel der Fall bei Dachziegeln, die manuell abgenommen werden und nach einer Prüfung und Säuberung wiederverwendet werden. Der Bau des Neuen Museums Berlin ist in dieser Hinsicht ein Vorzeigeprojekt, da für ihn 350.000 historische Mauerziegel aufbereitet und wiederverwendet wurden.

Alte bewetterte Klinker sind mitunter begehrte Objekte, die von Liebhabern zu alternativen Fassadenelemente komponiert und am neuen Gebäude eingesetzt werden. Auch kompaktere Teile der Mauerwerksverblendung sind prinzipiell gut abnehmbar. Doch grundsätzlich ist heute der Anteil an Ziegeln, der in der Ursprungsform wiederverwendet wird, verhältnismäßig gering. In den meisten Fällen dient der Altziegel vom Wertstoffhof als Ausgangsmaterial für ein Downcycling.

Vom Dach auf den Boden

In den meisten Fällen werden Altziegel so aufbereitet, dass sie als Schotter im Straßenbau oder für Wege, Flächen und Schutzwälle im Garten- und Landschaftsbau wiederverwendet werden können. Für die Verwendung von RC-Ziegeln bzw. Recycling-Baustoffen gelten besondere Regeln, auf die u.a. der Baustoff Recycling Bayern e.V. verweist. (https://www.baustoffrecycling-bayern.de/node/49) Entwickelt wurde eine geeignete Aufbereitungstechnik durch die Fa. Feess in Kirchheim a.d.Teck. Auch im RC-Beton ist der Ziegel zu finden. Für die Gesteinskörnung Typ 2 zur Herstellung von Transportbeton darf der Anteil an gebrochenem Mauerwerk bis zu 30 Prozent betragen.

Warum Tennisplätze rot sind…

Heute Ziegel, morgen Tennisplatz. Das ist wohl das bekannteste Beispiel für die Wiederverwendung von Ziegeln. Aus dem Brennbruch bei der Produktion von Ziegeln im Werk wird „Tennismehl“ hergestellt, das dann für Sportplatz- und Tennisanlagen verwendet werden kann. Für die Instandsetzung eines Tennisplatzes werden circa zwei bis drei Tonnen Ziegelsand verwendet. Die rote Farbe lässt also durchaus auf die Herkunft schließen.

Es grünt so grün, wenn…

Genau: auf dem Dach kann es grünen, wenn darunter etwas liegt, was früher mal ein Ziegel war. Seit 2013 ist die Verwertung von Ziegelbruch für Vegetations-Substrate wieder zugelassen. Sand, Splitt und Altziegel müssen allerdings ebenfalls sortenrein sein, es darf also kein Putz, Mörtel oder andere Stoffe am Ziegelmaterial haften.

Die so gewonnenen Substrate eignen sich nicht nur für Dachbegrünungen, sondern auch als Untergrund von Straßenbegrünungen. Der Vorteil von Ziegelsand und Ziegelsplitt liegt darin, dass die damit erstellten Böden wasserdurchlässig und dabei aber sehr stabil sind und somit eine hohe Trittfestigkeit haben.

Schauen wir mal in den Ziegel rein…

Ob Ziegel erfolgreich dem Recyclingprozess zugeführt werden kann, hängt davon ab, ob es gelingt, ihn beim Abriss eines Hauses vom übrigen Schutt zu trennen. Tonziegel kann nur dann wiederverwertet werden, wenn kein Gipsputz mehr an ihm haftet. Hier muss bereits bei der Herstellung der Ziegelwände darauf geachtet werden, dass man möglichst ohne diese Klasse von Putzen auskommt.

Mit der Zeit hat sich der Ziegel immer mehr zu einem Hightech-Produkt entwickelt. Um die Wärmedämmung zu erhöhen, haben die Hersteller verschiedene Füllstoffe entwickelt. Moderne Hintermauerziegel enthalten als Dämmstoff beispielsweise Mineralwolle, Mineralfasern, Perlite, Dämmstoffgranulat oder Holzfasern. Wie sieht es nun hier mit der Trennung aus? Wie leicht lässt sich die Füllung beim Rückbau und Abbruch eines Hauses entfernen?

Mauerziegel mit Füllung

Die Trennung ist relativ einfach möglich, solange die Füllungen lediglich durch Formschluss in den Lochungen fixiert ist. Der großer Rohdichte-Unterschied des Ziegels gegenüber den Mineralwollepads ermöglich den Einsatz von Windsichtern nach dem groben Bruch der Steine. Ebenso betrifft dies Dämmstoffgranulate. Das mineralische Vulkangestein Perlite kann gleichfalls gut abgetrennt werden. Für diese Wertstoffe bieten die Hersteller Rücknahmesysteme an. Lediglich für die ebenfalls verwendeten losen Mineralfasern und die Holzfasern gibt es derzeit noch keine wirtschaftlich rentablen Trennverfahren.

Was passiert mit Putz und Mörtel und WDVS?

Für den Hausbau gehen der Ziegel und der Putz eine dauerhafte Partnerschaft ein. Doch was, wenn die Trennung bevorsteht? Auch hier liegt es bereits in der Verantwortung der Entwickler, Gipsputze so herzustellen, dass sie beim Abbruch und Rückbau des Gebäudes vom Ziegel gelöst werden kann. Dieser Weg ist allerdings tatsächlich neu, denn bisher wurde stets an einer guten Haftung zwischen Steinoberfläche und Putz gearbeitet.

Als problematisch kann sich wieder das WDVS erweisen. Hier müssen die für den Abbruch zuständigen Bauarbeiter das Know-how haben, Ziegelbruch und WDVS zu trennen. Dies ist langwierige und kostenintensive Handarbeit.

Ziel ist hochwertiges Recycling und Rückführung in den Verwertungskreislauf

Generell gilt: Eine sortenreiner Abbruch ist möglich, wenn Dachziegel manuell abgenommen werden, dann mit dem Einsatz von Abrissbagger und Sortierzange systematisch die Decken abgetragen und anschließend die einschaligen oder zweischaligen Innen- und Außenwände inklusive der verwendeten Dämmstoffe abgebaut werden.

In Deutschland gibt es bereits ein Netzwerk von spezialisierten Abbruch- und Recyclingunternehmen sowie Veredlern, die den Ziegelbruch weiterverarbeiten. Die Bereitstellung absolut sortenreiner Ziegelfraktionen ist noch Forschungsprojekt und wird nicht ohne höhere Kosten zu realisieren sein. Ziel muss es in jedem Fall sein, das Ziegelrecycling in allen Regionen Deutschlands weiter zu etablieren und den mittlerweile etablierten Stoffkreislauf weiter zu verbessern.

Alternativer Bildtext

Bild. Copyright: Mein Ziegelhaus

Die Vision vom „Urban Mining“

Schon bei der Planung eines Neubaus sollte darauf geachtet werden, ob sich die Materialien später problemlos zurückbauen und recyceln lassen. Hierbei kommt oft das Stichwort „Urban Mining“ ins Spiel. Vereinfacht gesagt, bedeutet es, dass man in Rohstoffen denkt und die Wiedergewinnung und Aufbereitung von Wertstoffen im städtischen Bereich in den Mittelpunkt rückt. Ziel sollte es sein, dass man ein Gebäude wieder in seine Einzelteile demontieren kann, also Materialien sortenrein getrennt werden können. Eine Verfechterin dieses Kreislaufdenkens ist die Architektin Prof. Annette Hillebrandt, die neben der Energiewende eine „Materialwende“ propagiert. Sie legt den Finger auf die Sünden der Bauindustrie und spricht auch das Problem der Wärmedämmverbundsysteme an. Ein allemal lesenswerter Bericht!

https://www.presse.uni-wuppertal.de/de/medieninformationen/2019/08/06/30266-mit-realistischen-visionen-gegen-die-suenden-der-bauindustrieeine-bergische-transfergeschichte-mit-architektin-prof-annette-hillebrandt/